Das Kinderheim von Izieu und die Erzieher:innen
„Wir kamen mit dem LKW an, nicht mit dem Bus, sondern mit dem LKW; und ich weiß noch, wie Reifman vom LKW sprang und sagte: „Was für ein Paradies!“ „ (Sabine Zlatin)

Izieu ist ein kleines Dorf in der französischen Region Bugey im Département Ain im Süden Frankreichs. Es ist bekannt für seine malerische Aussicht auf das Chartreuse- und das Vercors-Gebirge. Während des Zweiten Weltkriegs gehörte das Gebiet zur italienischen Besatzungszone, in der Jüdinnen und Juden zunächst weniger stark verfolgt wurden als in den von den Nationalsozialist:innen kontrollierten Zonen.
Ab 1943 verschärfte sich jedoch auch in Frankreich die Repression gegenüber jüdischen Menschen. Die Zahl jüdischer Kinder, deren Eltern verhaftet, verschleppt oder in Konzentrationslager deportiert wurden, nahm stetig zu. Eine kleine Gruppe von Helfer:innen, die für das Kinderhilfswerk OSE (Œuvre de Secours aux Enfants) tätig war, beschloss, Kinder aus Internierungs- und Sammellagern zu retten und an sicheren Orten zu verstecken.

Wer war Sabine Zlatin?
Sabine Zlatin wurde in Polen geboren und emigrierte mit ihrer Familie nach Frankreich, um antisemitischer Diskriminierung zu entkommen. Bis 1941 arbeitete sie als Rotkreuzschwester beim Militär, wurde jedoch aufgrund der rassistischen Gesetze des Vichy-Regimes – das mit dem nationalsozialistischen Deutschland kollaborierte – entlassen. Ab diesem Zeitpunkt engagierte sie sich für verfolgte jüdische Kinder und arbeitete für die OSE.
Im Frühjahr 1943 reisten Sabine Zlatin und ihr Ehemann Miron in die italienisch besetzte Zone nach Izieu, um jüdischen Kindern zu helfen. Unterstützt wurden sie dabei von Pierre-Marcel Wiltzer, dem Unterpräfekten von Belley. In Izieu eröffneten sie ein Kinderheim, das zwischen Mai 1943 und April 1944 rund 120 jüdischen Kindern als Zufluchtsort diente. Das Haus lag am Rand des Dorfes und bot Schutz vor der Verfolgung durch das NS-Regime.
Unterstützung aus der Umgebung

Den Kindern und Betreuer:innen der „Maison d’Izieu“ gelang es, gute Beziehungen zu den Anwohner:innen und lokalen Institutionen aufzubauen. Die Anwesenheit der jüdischen Kinder war keineswegs geheim – ein Foto mit dem Briefträger belegt dies eindrucksvoll. Die benachbarte Bauernfamilie Perticoz brachte regelmäßig Lebensmittel ins Heim. Auch aus den umliegenden Dörfern beschaffte Miron Zlatin Vorräte. Die Familie Héritier kümmerte sich liebevoll um die zweijährige Yvette Benguigui.
Einige Menschen aus der Region leisteten außergewöhnliche Hilfe. Ihre Namen sollen hier genannt und gewürdigt werden:
- Pierre-Marcel Wiltzer (Beamter im Département: stellte das Haus zur Verfügung, organisierte Lebensmittelkarten und Betten)
- Gabrielle Perrier (Lehrerin der Kinder)
- Die Familien Borgey, Héritier, Perticoz, Pallerès und Renée Pariselle-Pallarès
Sie alle wurden von der internationalen Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet.
Wie viele andere Kinder, die sich auf der Flucht befanden, deren Eltern vermisst wurden oder in Konzentrationslager deportiert worden waren, wurden auch die Kinder von Izieu von Menschen betreut, die selbst Fluchterfahrung hatten oder vom NS-Regime verfolgt wurden – so wie Sabine Zlatin. Ihre Namen sollen hier genannt und gewürdigt werden.

Die folgenden Erzieher:innen lebten bis zur Razzia im April 1944 gemeinsam mit den 44 Kindern in der „Maison d’Izieu“:
- Lucie Feiger, 49 Jahre, Frankreich
- Mina Friedler, 32 Jahre, Polen
- Sarah Levan-Reifman, 36 Jahre, Rumänien
- Eva Reifman, 61 Jahre
- Moïse Reifman, 32 Jahre, Rumänien
- Miron Zlatin, 39 Jahre, Russland
- Lea Feldblum, 25 Jahre, Frankreich (einzige Überlebende der Razzia)
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Useful Links:
Infos zum Kinderhilfswerk OSE:
https://www.gedenkorte-europa.eu/de_de/article-ose-ndash-oeuvre-de-secours-aux-enfants.html
https://www.ose-france.org/en/#history
Yad Vashem „Gerechte unter den Völkern“: Hier kannst du dich über den Begriff „Gerechte unter den Völkern“ informieren:
https://www.yadvashem.org/de/righteous/about-the-righteous.html
Yad Vashem „Children in the Holocaust”: Die Ausstellung “Children in the Holocaust“ zeigt anhand von biographischen Artefakten, wie Spielsachen, Briefen oder Bildern die Schicksale von Kindern, die von den Nationalsozialist:innen verfolgt oder ermordet wurden. Hier findet ihr auch Zeitezeug:innen-Berichte von Kindern, die überlebt haben.
https://wwv.yadvashem.org/yv/en/exhibitions/children/index.asp
