Die Razzia in Izieu: Verhaftung und Deportation
Verhaftung und Transport nach Drancy
Am 6. und 7. April 1944 wurden 44 Kinder und sieben Erwachsene aus dem Kinderheim in Izieu verhaftet und in das Gefängnis Montluc in Lyon gebracht. Das Versteck der Kinder war durch Verrat bekannt geworden. Auf Befehl von Klaus Barbie, dem Leiter der Gestapo in Lyon, wurden alle Bewohner:innen des Heims abgeholt.
Laut der späteren Aussage der Erzieherin und einzigen Überlebenden, Léa Feldblum, mussten die Kinder am Boden hocken, während die Erwachsenen mit erhobenen Händen an die Wand gefesselt wurden. Die Erwachsenen und älteren Kinder wurden verhört. Am 7. April wurden alle mit der Straßenbahn zum Bahnhof Lyon-Perrache gebracht und mit einem zivilen Zug ins Sammellager Drancy deportiert, wo sie am 8. April 1944 eintrafen. Im Lagerbuch wurden sie unter den Nummern 19185 bis 19235 registriert. Léa Feldblum offenbarte dort ihre jüdische Identität, um bei den Kindern bleiben zu können.
Deportation nach Auschwitz und andere Lager
Am 13. April 1944 wurden 34 der Kinder von Izieu sowie vier Betreuer:innen mit Transport Nr. 71 von Drancy in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Nach dreitägiger Fahrt erreichten sie das Lager, wo sofort eine „Selektion“ stattfand: Die Ankommenden wurden in „arbeitsfähig“ und „arbeitsunfähig“ eingeteilt. Die Kinder wurden direkt in die Gaskammern geschickt.
Eva und Moïse Reifman teilten dieses Schicksal. Ihre Tochter Suzanne Reifman und Léa Feldblum wurden den Arbeitskommandos zugewiesen. Als Suzanne ihren Sohn Claude weinen hörte, entschied sie sich, freiwillig mit ihm in den Tod zu gehen.
Miron Zlatin sowie die Jugendlichen Théo Reis und Arnold Hirsch wurden am 15. Mai 1944 mit Transport Nr. 73 nach Estland deportiert – ein Transport, der ausschließlich aus arbeitsfähigen Männern bestand. Im Sommer 1944 wurden sie von der SS bei einem Massenmord in Tallinn erschossen.
Weitere Transporte und Schicksale
Die übrigen acht Kinder und drei Betreuer:innen aus Izieu wurden mit weiteren Transporten nach Auschwitz-Birkenau deportiert:
- Transport Nr. 72 am 29. April 1944
- Transport Nr. 74 am 20. Mai 1944
- Transport Nr. 75 am 30. Mai 1944
- Transport Nr. 76 am 30. Juni 1944
Alle wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet.
Die folgenden Fotos wurden am 26. März 1944 aufgenommen – 12 Tage vor der Razzia durch die Gestapo Lyon im Kinderheim von Izieu. Sie stammen aus der Sammlung von Marie-Louise Bouvier.
Überlebende: Léa Feldblum und Sabine Zlatin
Léa Feldblum war die einzige Überlebende der Verhafteten aus Izieu. Sie wurde im Konzentrationslager Auschwitz für medizinische Experimente missbraucht und trug die Häftlingsnummer 78620 auf dem Unterarm. Sie überlebte bis zur Befreiung des Lagers im Januar 1945 und wurde später eine bedeutende Zeugin in den Prozessen gegen die Verantwortlichen für die Deportationen und Morde an den Kindern von Izieu.
Sabine Zlatin und die Rettungsversuche
Im Februar 1944 begann die Gestapo, gezielt Mitarbeitende der OSE zu verhaften. Sabine Zlatin versuchte daraufhin immer wieder, neue Verstecke für die Kinder zu finden. Im April 1944 war sie erneut unterwegs, um sichere Unterkünfte für die Kinder von Izieu zu organisieren. Auf dem Rückweg erhielt sie eine verschlüsselte Nachricht: „Familie krank. Ansteckende Krankheit.“ Sabine Zlatin verstand die Warnung – ein Hinweis auf die Razzia – und entging so ihrer Verhaftung und dem sicheren Tod.
In der Folge schloss sie sich der Résistance an. Nach der Befreiung arbeitete sie im Hotel Lutetia in Paris, das als Anlaufstelle für Überlebende der Konzentrationslager diente. Die Erinnerung an die Kinder von Izieu ließ sie nie mehr los. 1994 wurde Sabine Zlatin die erste Leiterin der Gedenkstätte Maison d’Izieu.
Erinnerungsarbeit
Der französische Historiker und Jurist Serge Klarsfeld dokumentierte gemeinsam mit seiner Frau Beate Klarsfeld die Schicksale der Kinder von Izieu in einem Buch. Ihr Ziel war es, die systematische Verfolgung und Ermordung jüdischer Kinder sichtbar zu machen und in das kollektive Gedächtnis Frankreichs einzuschreiben.
1984 fand in Izieu eine bedeutende Gedenkveranstaltung statt, bei der die jüdische Gemeinschaft die Verantwortung für das Erinnern an die ermordeten Kinder betonte. Die akribische Recherche der Klarsfelds trug maßgeblich zur Verurteilung von Klaus Barbie bei, dem Leiter der Gestapo in Lyon. Am 4. Juli 1987 wurde er wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.
Hinweis zu den Tätern
Den Tätern – insbesondere Klaus Barbie – möchten wir an dieser Stelle bewusst keinen Raum geben. Wer sich über seine Biografie informieren möchte, kann dies eigenständig über seriöse Quellen im Internet oder in der Fachliteratur tun.
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